Lange Zeit war der Bata‐Park ein Zeuge aus längst vergangenen Zeiten. Doch nun wird die Idee des Gründers Tomas Bata wiederbelebt und das ursprüngliche Konzept der ehemaligen Schuhfabrik sowie des umliegenden Wohngeländes erlebt eine Renaissance. Auf dem geschichtsträchtigen Flecken Möhliner Erde brechen spannende Zeiten an.
Es sollte ein glanzvolles Ereignis werden. Doch der 12. Juli 1932 endet in einer Tragödie: Auf dem Weg in die Schweiz, wo Tomas Bata in Möhlin der Eröffnung der ersten Fabrikhalle im Bata‐Park beiwohnen will, kommt der tschechische Industrielle ums Leben. Sein Flugzeug stürzt kurz nach dem Start in seiner Geburtsstadt Zlin ab.
Er ist einer der ersten Firmenbesitzer überhaupt,
die ein Privatflugzeug besitzen. Immerhin stirbt mit ihm aber nicht sein Unternehmen: Einen Monat nach seinem Tod werden in Möhlin die ersten Schuhe hergestellt. Weitere zwei Monate später, im Oktober 1932, sind in der Fricktaler Gemeinde 160 Menschen beschäftigt, welche Tag für Tag 1200 Paar Schuhe anfertigen.
Zwar ist der Schuhhersteller bereits seit Ende 1926 in der Schweiz präsent, doch Tomas Bata will eine eigene Fabrik. Im Fricktal – nahe Basel, wo er neben Zürich und Bern bereits ein Geschäft besitzt und auch nicht allzu weit von seiner Zürcher Vertriebszentrale entfernt soll sein Traum wahr werden. Zudem bietet Möhlin eine äusserst verkehrsgünstige Lage: Strassen‐ und Eisenbahnanschluss sind vorhanden, der Zugang zu künftig eventuell notwendigen Schiffs‐ und Flugverbindungen ist ebenfalls möglich.
Die Errichtung der Schweizerischen Produktionsstätte geschah allerdings nicht ganz freiwillig. Auslöser waren die 1931 in Kraft getretene, starke Erhöhung der Einfuhrzölle sowie die Kontigentierung der Importe. Mit dem Bau einer eigenen Fabrik in der Schweiz wollte Bata die Zollschranken umgehen, weil er sich viel vom hiesigen Markt erhoffte.
Wie schon zuvor in anderen Ländern will der tschechische Schuhkönig auch im Fricktal eine ganz besondere Produktionsstätte erschaffen: Nicht nur ein Fabrikgebäude soll entstehen, sondern eine ganze Kolonie mit Wohnhäusern und Erholungseinrichtungen für die Angestellten. Ein Musterbeispiel moderner Firmenarchitektur.
Für Möhlin ist das Projekt ein Geschenk des Himmels, verzeichnet das Bauerndorf doch Anfang der 30er‐Jahre als Folge der Weltwirtschaftskrise über 100 Arbeitslose bei nur gerade 2800 Einwohnern. Verständlich also, dass man dem Industriellen Tür und Tor öffnet. So kann Tomas Bata 24 Hektaren Land für nur gerade einen Franken pro Quadratmeter erwerben.
Kaum ist der Landkauf im September 1931 perfekt, beginnt Batas Baubüro in Zlin die Möhliner Kolonie zu planen. Am 10. Mai 1932 erfolgt der Spatenstich für die erste eingeschossige Fabrikhalle. Dank der einfachen Bauweise ist das Gebäude bereits nach zwei Monaten fertiggestellt. Zwei Tage bevor der Firmenchef auf dem Weg in die Schweiz tödlich verunglückt.
Natürlich ist der tragische Tod des Patrons ein Schock für alle Beteiligten. Seine Idee lebt jedoch weiter: Die Bata‐Kolonie wird wie geplant weitergebaut. Bis sie schliesslich in den 50er‐Jahren fertiggestellt ist und sechs Fabrikhallen, ein Direktorenhaus, ein Lager‐ und Administrationsgebäude, rund 20 Vier‐ und Zweifamilienhäuser, zwei Ledigenheime sowie Garagengebäude umfasst.
Tomas Batas Vorstellungen von der Lebensdauer eines Hauses erstreckten sich über nicht mehr als eine Menschengeneration, doch die Wohnhäuser im Bata‐Park stehen noch heute. Und sie sind nach wie vor das Zuhause zahlreicher Familien. Die flachgedeckten Sichtbacksteinbauten bieten nicht
übermässig viel Platz und weisen aus heutiger Sicht nur wenig Komfort aus. Im Augenblick noch ein Kontrast zum überaus grosszügigen Umschwung mit ausgedehnten Grasflächen, vielen Bäumen und Sträuchern. Doch diese Kluft soll bereits in naher Zukunft verschwinden.
2005 hat die Maschinenfabrik Jakob Müller AG aus Frick das gesamte Gelände gekauft. Nach der Schliessung der Schuhfabrik im Jahr 1990 bedurfte es grosser Anstrengungen, um das Areal einer neuen Nutzung zuzuführen. Schliesslich zogen verschiedene Handwerker in die Gewerbebauten ein.
Weil seit der Stilllegung der Bata‐Produktion kaum mehr Gelder zur Erhaltung des Areals geflossen waren, ging diese Phase des Wandels nicht spurlos an den Bauten vorbei. Noch immer in einer wunderbaren Parklandschaft gelegen, bedürfen Wohn‐ wie auch Gewerbegebäude einer Sanierung. Diese will nun die Jakob Müller AG angehen, welche auf dem Weltmarkt führend ist in Entwicklung und Produktion von Bandwebmaschinen. Weil man sich bei der traditionsreichen Firma der besonderen Bedeutung des Bata‐Parks bewusst ist, sollen die Bauten Schritt fär Schritt erneuert werden. Als erstes wird der Gewerbeteil renoviert, später folgt der Wohnteil.
Wer nun fürchtet, der Geist des Bata‐Parks könnte dabei verloren gehen, kann den Veränderungen ruhig entgegen sehen. Bedenken dieser Art sind unbegründet, weil die gesamte Planung von Fachleuten aus Denkmalpflege und Heimatschutz begleitet wird. Die beiden dreigeschossigen Produktionsgebäude sowie das Wohlfahrtshaus stehen nämlich unter Denkmalschutz. Zudem werden alle Bauvorhaben im Bata‐Park durch eine ständige, den Gemeinderat von Möhlin beratende Fachkommission begutachtet. Besonders erfreulich: Die Jakob Müller AG will am Konzept aus den 30er‐Jahren festhalten, welches Wohnen und Arbeiten miteinander verbindet.
Ab 2024 tritt die Familie Kuoni aus der Jakob Müller Gruppe aus und mit Ihnen der Bata-Park. Gemeinsam wird das Areal nun unter der neuen Eigentümerin, die MARCK Immobilien AG, weiterentwickelt. Der Bata-Park ist set je eine Herzensangelegenheit der Familie Kuoni.
Die Gemeinde Möhlin ist darüber sehr glücklich. Auf diese Weise nämlich bleibt das Bijou erhalten, noch dazu wird die Geschichte wieder lebendig. Denn immerhin ist der Bata‐Park ein Industriedenkmal von nationaler Bedeutung. Noch heute reisen ganze Klassen von Architektur‐Studenten an, um die Anlage zu bewundern.
Interessante Links zum Thema: